Pferdefleisch

10 Fragen an Thomas Reichert zum aktuellen Pferdefleisch-Skandal. Thomas Reichert ist Obermeister der Fleischerinnung Frankfurt-Darmstadt-Offenbach: 1)  Pferdefleisch ist derzeit in aller Munde, was ist dran an dem Skandal? Skandalös ist alleine, dass der Verbraucher mal wieder getäuscht wurde über die Beschaffenheit eines Lebensmittels. 2)  Ist Pferdefleisch gesundheitsschädlich für den Verbraucher? Nein das ist es grundsätzlich nicht. Es sei denn, es ist durch Medikamente, Futtermittel oder nicht abgebaute leistungsfördernde Präparate verunreinigt. 3)  Wie kann es passieren, dass in einem Fertiggericht Bestandteile sind, die nicht auf der Verpackung ausgewiesen sind? Dies kann durch Unachtsamkeit in der Produktion geschehen oder durch Vorsatz des Herstellers. Bei der Menge, der nun aufgetauchten falsch ausgezeichneten Produkte kann man Unachtsamkeit aber fast ausschließen. 4)  Wie beurteilen Sie die Reaktion der Handelsunternehmen in diesem Fall? Das europäische Warnsystem hat hervorragend funktioniert und die Handelsunternehmen haben sich bisher vorbildlich verhalten. Die fraglichen Produkte wurden aus dem Verkehr gezogen. 5) Wie beurteilen Sie die Arbeit der Kontrollbehörden in diesem Fall? Ebenso vorbildlich. Es hat sich gezeigt, dass die im europäischen Verkehr installierten Kontrollmechanismen sehr gut und schnell funktionieren und exzellent dazu geeignet sind, die Verbraucher zu schützen. 6)  Warum gibt es immer wieder solche Skandale? Ich denke, der enorme Kostendruck im Lebensmitteleinzelhandel fördert die Bereitschaft, im internationalen Warenverkehr zu tricksen anstatt dem Verbraucher ehrliche Konsequenzen zuzumuten. Also höhere Preise für Produkte aus regionalen Wirtschaftskreisläufen. Die Europäische Agrar- Förderpraxis befeuert die grundsätzliche Konzentration auf große und industrielle Betriebs-Einheiten bei der Erzeugung. Mit der Konsequenz von leider viel zu langen Wegen und viel zu vielen Zwischenstationen der Lebensmittel auf dem Weg zum Konsumenten. Diese Praxis hilft dann auch dabei, wenn man es darauf anlegt, Qualitätsbrüche zu verschleiern oder zu tricksen. Billige Lebensmittel  verursachen am Ende für die Bürger der EU- Staaten eben enorme Kontrollkosten.  7)  Helfen noch stärkere Kontrollen der Überwachungsbehörden oder Internet- Prangersysteme? Nein, das glaube ich nicht. Die schnelle Aufklärung dieses Falles hat bewiesen, dass die Kontrolldichte stimmt. Wichtiger wäre es, hinsichtlich Landwirtschaftlicher Produkte wieder mehr in regionalen überschaubaren Systemen zu denken. Hier hilft ein grundsätzliches Umdenken in der Politik bezüglich der Agrarförderung bedeutend stärker. Die  Verbraucher müßten ihre derzeitige Praxis hinsichtlich des eigenen Einkaufsverhaltens halt einfach auch mal überdenken. Wenn Sie einfach diese Art Produkte nicht mehr kaufen, werden sie vom Markt verschwinden. 8)  Aber was sollen die Menschen denn essen? Da hilft nur ein Schritt zurück. Kaufen Sie frische Produkte von Händlern, die einen regionalen und saisonalen Bezug haben und kochen Sie mal wieder selber. 9)  Wie soll der Stressgeplagte Stadtmensch denn das bewerkstelligen? Ich glaube nicht, dass es den Menschen an Zeit fehlt. Noch nie wurde so wenig Zeit für die Arbeit und tatsächliche Verpflichtungen aufgewendet wie heute. Es fehlt, glaube ich derzeit  einfach der Wille, seine Zeit dafür einzusetzen. Die höchste Sicherheit bietet der Schritt zurück im Konsumverhalten. Weg von Fertigprodukten und Convenience, hin zu saisonalen und regionalen Angeboten bei  Lebensmitteln und besonders bei Fleisch. Das geht am besten  mit  regionalen Erzeugern, Fachgeschäften und Händlern. Die bieten glaubwürdige und überschaubare Geschäftsmodelle, die diesem Wunsch sehr entgegen kommen. 10) Haben Sie noch einen abschließenden Tipp für uns? Gesunder Menschenverstand und Gelassenheit in der Bewertung von Lebensrisiken hilft sicherlich auch diese Krise zu überwinden. Vielen Dank! Hinweis: Kann von Mitglieder verwendet werden - auch in Auszügen.